Jasenka Villbrandt, Mitglied der Bündnisgrünen Fraktion im Abgeordnetenhaus, Berlin
Jasenka Villbrandt, Mitglied der Bündnisgrünen Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, spricht über die Gründe, warum sie aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Berlin ausgewandert ist, über die Armutsbekämpfung, ihr Engagement für Senioren, Pflegebedürftige und über die Politik, in der sie sich für Menschen mit Behinderung engagiert. Sie wurde 1951 in Zagreb geboren und fährt oft nach Rovinj in Istrien. Hier will sie im Ruhestand einmal mehr Zeit verbringen und sich in der Sozialpolitik Kroatiens engagieren.
Warum sind Sie im Jahr 1971 aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland gekommen?
Ich wollte unabhängig sein und in Jugoslawien konnte ich das nicht. Ich war 20, ohne Familie und ohne Geld. In Deutschland habe ich eine Aufenthaltserlaubnis bekommen und einen Job gefunden. Ich habe nicht darüber nachgedacht wie lange ich bleiben werde. Ich war neugierig und für alles offen.
Sie vertreten die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Wie ist die Zusammenarbeit zwischen der grünen Partei Deutschlands und der Kroatiens?
Die kroatischen Grünen sind traditionell mehr mit den österreichischen als mit den deutschen Grünen verbunden. Trotzdem ist die Zusammenarbeit gut. In Kroatien sind die Grünen mehr in der Umweltpolitik aktiv und weniger in der Sozialpolitik, während das Soziale der Schwerpunkt meiner Arbeit ist.
Im Berliner Abgeordnetenhaus sind Sie Sprecherin für Soziales, Sie sind engagieren sich gegen Armut, für Senioren und Pflegebedürftige. Wie erfolgreich sind Sie damit?
Die Armutsbekämpfung, das Thema Pflege und der Respekt gegenüber alle die, die auf gesellschaftliche Unterstützung angewiesen sind, stehen im Vordergrund meiner Arbeit. Erfolg hat man dabei nie genug. Jedoch habe ich kleine Fortschritte zu schätzen gelernt.
Das soziale Bild Berlins ist schlimm. Welche Völkergruppen sind am meisten von Armut betroffen?
Berlin ist eine Stadt der Kontraste, eine Stadt, die wächst und die Touristen, junge Fachkräfte und Künstler anlockt. Es ist gleichzeitig eine Stadt, in der ein Großteil der Bevölkerung mit ihrem Einkommen nicht über die Runden kommt. Immer mehr Erwerbstätige benötigen deshalb staatliche Unterstützung. Infolge hoher Mieten können sich die Menschen Wohnräume, in denen sie seit Jahren gelebt haben, nicht mehr leisten und suchen nach einer billigeren Wohnung. Die Zahl der Rentner, deren Rente unter dem Sozialhilfeniveau liegt, steigt. Egal um welche Nation es geht, von der Armut sind am meisten schlecht gebildete Menschen bedroht. Gerade diese Menschen versuchen oft nach Deutschland zu kommen. Langsam aber ändert sich dies. Viele hochgebildete, junge Menschen, die der Krise in ihren Ländern entfliehen wollen, kommen nach Berlin.
Wie sehen Sie den EUBeitritt Kroatiens?
Ich weiß, dass viele Bürger skeptisch sind, weil sie sehen, was in einigen EU-Ländern vor sich geht. Ich bin natürlich für den EU-Beitritt Kroatiens und denke, dass andere Szenarien unattraktiver und risikoreicher sind. Aber Vorsicht: die EU wird die Altlasten aus vergangenen Zeiten nicht beseitigen. Sie kann jedoch die zur Stärkung der demokratischen und voranschreitenden Teile der kroatischen Gesellschaft beitragen.
Marijana Dokoza