Ein Reisebericht unserer Leserin Alicia Holzschuh
Donnerstagmorgen, 7.00 Uhr am Münchner Hauptbahnhof – hier sollte meine Reise in Richtung der Balkanstaaten beginnen. Eine Region an den Türen der EU -zum Teil sogar Mitglied, die sich, wie sich bald zeigen sollte, als wunderbare und noch authentische Reiseregion erwies – noch nicht überflutet von Touristen, und voller liebenswürdiger Menschen die gerne die Geschichte der Region, ihres Landes und auch ihre persönlichen Erfahrungen teilen.
Der erste Stopp sollte zunächst jedoch Budapest sein, eine Stadt von der meine Großmutter so geschwärmt hatte und auf die ich sehr gespannt war. Und tatsächlich wurde ich überrascht von der Schönheit und Prächtigkeit der Gebäude und der Gegensätzlichkeit der Stadt – an geschichtsträchtigen Orten fuhren plötzlich Karaoke-Taxis an einem vorbei und nachts wimmelte es in den Straßen nur so von feierfreudigen jungen Leuten in geheimnisvollen Kellerbars und hippen Partyscheunen.
Nach drei Tagen führte mich eine Zugfahrt dann weiter nach Belgrad, meiner zweiten Station. Auch hier wurde ich gleich überrascht von der Hilfsbereitschaft der Menschen – auch nachts um 12 auf der Suche nach dem richtigen Hostel. Belgrad faszinierte mich sofort -vielleicht auch, weil es der erste geschichtliche Kontakt mit der Region war. Bis auf ein paar wage Erinnerungen mancher Stichwörter wusste ich nicht viel von den historischen Begebenheiten und die Tatsache, dass vergangene Ereignisse in der Stadt noch so präsent waren weckten meine Neugier. Um in die Gegebenheiten und Geschichte von Stadt und Land einzutauchen nutzte ich die Möglichkeit der Free Guided City Tours – Studenten die kostenlose Stadtrundgänge anbieten, einem die wichtigen Orte und die Geschichten dazu näher bringen und auch gerne mal aus ihren persönlichen Erfahrungen berichten. Dieses Prinzip erwies sich auch in den folgenden Städten als sehr wertvoll und offenbarte zugleich einen interessanten Einblick in die Geschichte -wie Puzzleteile sollten sich am Ende die einzelnen Berichte aus jedem Land zusammenfügen und dabei auch offenlegen, wie vielschichtig, national und persönlich geprägt Geschichte doch sein kann. Da ich in Serbien auch noch an einem zweiwöchigen Freiwilligenprojekt teilnahm, in Obrenovac, um bei den Aufräum- und Renovierungsarbeiten nach den schlimmen Fluten zu helfen, konnte ich noch näher in die serbische Kultur und Sprache eintauchen. Ich bekam die Möglichkeit allerlei Spezialitäten zu probieren und auch die Sprache ein bisschen kennenzulernen. Neben ein paar Wörtern wie Hvala, zdravo und molim blieben vor allem Erinnerungen an sehr viel Fleisch und gutem Schnaps.
Nach zwei Wochen in Obrenovac führte mich meine Reise, nun in Begleitung 3 weiterer Freiwilliger aus Italien, Russland und der Slowakei nach Sarajevo. Hier empfanden wir den Kontrast zwischen pulsierenden Vierteln und einem völlig zerrissenen, nicht funktionierendem System als besonders stark – der Wille etwas zu verändern und sein Land voranzutreiben der jungen Leute steckte uns wiederum an und führte einem auch ein bisschen die eigene Bequemlichkeit in Deutschland vor Augen. Unser nächster Stopp Mostar viel hier jedoch völlig aus dem Rahmen: eine reine Touristenhochburg, übersät mit Souvenirshops und völlig überteuerten Restaurants machten die Besichtigung der berühmten Brücke eher anstrengend – erst bei Nacht, als wieder Ruhe einkehrte, war deren Anblick wirklich zu genießen. Ein Spaziergang drei, vier Straßen entfernt von der Brücke offenbarte gleichzeitig das Trugbild der Stadt: fernab vom touristischen Attraktionspunkt prägten auch hier zerbombte Häuserreste das Straßenbild – nach wie vor ein sehr ungewohnter Anblick.
Schließlich führte mich eine letzte Fahrt mit dem Nachtbus zu meiner letzten Station Zagreb. Aus Bosnien und Herzegowina kommend war der Eindruck von Sauberkeit und Prächtigkeit gerade zu erschütternd. Die Stadt hatte schon wieder etwas Vertrautes an sich, auch wenn es natürlich auch hier viele Sehenswürdigkeiten zu entdecken gab – neben einem Stadtrundgang und dem Besuch des innovativen Museum of Broken Relationships, stand auch ein Ausflug zu den Plitvicer Seen auf dem Programm. Zugleich äußerte sich jedoch so langsam auch die Müdigkeit der drei Wochen Reiseleben – und so ging es mit einem Kopf voller Eindrücke (und einem Koffer voller Bücher zum Nachlesen über die Region) zurück nach Deutschland.