Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union
Am 1. Juli diesen Jahres wird Kroatien Mitglied Europäischen Union. Hieraus leiten sich nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten ab. Legt man die gesetzlich verbrieften Grundrechte (die bei weitem noch nicht so, wie es wünschenswert wäre, eingehalten werden) und die Grundwerte der Kroaten zu Grunde, erscheint der Beitritt längst überfällig zu sein. Er ist eine Bereicherung für die EU und wird sicherlich von der übergroßen Mehrheit der kroatischen Menschen begrüßt. Gerade in diesen Tagen, in denen das Vereinigte Königreich mit einer Befragung seiner Bevölkerung über den Verbleib in der Staatengemeinschaft droht, ist dies wichtig. Ich begrüße den Beitritt Kroatiens ausdrücklich, kann aber auf einige Kritik an der EU, wie am kroatischen Staat nicht verzichten. Gerade unter Freunden muss man sich die Wahrheit – auch wenn sie unbequem ist – sagen können, ohne “Türen zuzuschlagen”. Beitrittskandidaten müssen bestimmte Kriterien erfüllen, um ihre Reife nachzuweisen. Die EU muss trotz Erweiterung handlungsfähig bleiben und diese Einschätzung sollte laut Kopenhagener Kriterien der Mehrheit der EU-Bevölkerung obliegen. Doch noch nie in der Vergangenheit hat eine Abstimmung zur Erweiterungsfähigkeit stattgefunden. Beitrittsfähigkeit und Erweiterungsfähigkeit sind 2 Seiten ein und derselben Medaille. Auf beiden Seiten gibt es Defizite. Am gravierendsten ist wohl die Zusage des festen Beitrittstermins, obwohl Kroatien bis heute von den 33 Verhandlungskapiteln nur 11 erfüllt, bei 14 Kapiteln geht man davon aus, dass ihre Erfüllung zum Beitrittstermin wahrscheinlich ist und bei 8 Kapiteln werden Zweifel daran gehegt, dass Kroatien seinen Verpflichtungen nachkommt.
Die kroatische Regierung liefert kontinuierlich positive und nachhaltige Ergebnisse
Kroatien hat in den letzten 20 Jahren bereits beträchtliche Fortschritte gemacht, das bleibt unbestritten, es gilt jedoch noch sehr viel aufzuholen. Zum Beispiel muss auf eine zuverlässige, moderne und Bürger orientierte öffentliche Verwaltung hingearbeitet werden; auch einige Grenzfragen müssen noch in Einklang zum gemeinschaftlichen Besitzstand gebracht werden; verbessert werden müssen auch die Bemühungen in Sachen EU-Direktzahlungen und Entwicklung des ländlichen Raumes einschließlich der Lebensmittelsicherheit, des Tierschutzes, der Fischerei und die Verwaltungsstrukturen für die künftige Kohäsionspolitik müssen ebenfalls weiter ausgebaut werden. Auch bei Naturschutz und Wettbewerbsrecht gibt es noch starken Nachholbedarf. Dennoch stehe ich dem Beitritt Kroatiens wohlwollend gegenüber! Dass gerade die Kapitel Finanzkontrolle, Sozialpolitik, Verbraucherschutz und Industriepolitik positiv abgeschlossen wurden, stimmt mich optimistisch. Kroatien, vor 20 Jahren noch Kriegsschauplatz, ist heute eine funktionierende Soziale Marktwirtschaft. Das aktuelle Staatsschuldendefizit ist auf einem niedrigen Niveau und die Auslandsschulden sind stabilisiert. Die kroatische Regierung liefert kontinuierlich positive und nachhaltige Ergebnisse, die dem Land den Weg in die EU ebnen. Dies zeigt auch der Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission aus 2012. Bei der großen Frage der Bewältigung von Korruption auf hoher Ebene zeigt sich die Kommission zuversichtlich, weil Kroatien durch Umstrukturierungen und energische Bekämpfung große und zufriedenstellende Fortschritte macht.
Kroatien ist “beitrittsreif” und braucht keine politischen Zugeständnisse
Der nächste Fortschrittbericht soll im Frühling veröffentlich werden. Deshalb empfehle ich meinen kroatischen Freunden in ihren Bemühungen nicht nachzulassen, sondern das ehrgeizige Ziel zu verfolgen, es allen Kritikern zu beweisen: Kroatien ist “beitrittsreif” und braucht keine politischen Zugeständnisse. Machen wir uns nichts vor, selbst wenn es einen festen Beitrittstermin gibt ist dieser nicht in “Beton gemeißelt”. Sollte der nächste Fortschrittsbericht eher ein Rückschrittsbericht sein, wird das Europäische Parlament die Zustimmung verweigern. Ob es sich die Staats- und Regierungschefs “leisten” können, über ein solches Votum hinwegzugehen? Wir sollten dies nicht herausfinden wollen! Ich bin überzeugt, dass es ein wirklicher Fortschrittsbericht wird, doch da müssen sich unsere kroatischen Freunde richtig anstrengen. Dies erwarte ich vor allem von den Mitgliedern und Sympathisanten der Kroatischen Demokratischen Union (HDZ). Kroatien wird seine Pflichten im Rahmen der EU-Mitgliedschaft am 1. Juli erfüllen, da bin ich mir sicher. Mein kleiner aber ganz konkreter Beitrag wird es sein, einen Assistenten eines zukünftigen Kroatischen Abgeordneten einzuladen, um ihm über einen längeren Zeitraum Einblicke in professionelle Abläufe in einem Abgeordnetenbüro im Parlament zu gewähren.